Pfarrer Bruno Fischer von der Krankenhausseelsorge im Klinikum Nürnberg, Süd spricht über seine Arbeit / „Candlelight“-Gottesdienst am 11. Dezember 2022 in Eibach
Seit 18 Jahren arbeitet Pfarrer Bruno Fischer als Seelsorger im Klinikum Nürnberg Süd. Der Geistliche gehört auch dem Vorstand des Vereins „Klinikseelsorge Notaufnahme e.V.“ an, der in diesem Jahr 2022 sein 25-jähriges Bestehen feiert. Anlässlich des Jubiläums und der wichtigen Arbeit der Seelsorge sprach Sebastian Müller vom Verein Klabautermann mit Pfarrer Bruno Fischer über seine Arbeit als Klinikseelsorger.
Herr Pfarrer Fischer, Sie hören diese Frage womöglich nicht so oft: Wie geht es Ihnen?
Mir geht es gut. Ich bin sehr gerne hier im Klinikum Nürnberg Süd tätig, natürlich mit Höhen und Tiefen. Wir haben hier ein sehr gutes Team von Seelsorgerinnen und Seelsorgern, wir stützen uns gegenseitig. Ich schätze sehr die persönliche Begegnung mit den Patient*innen und den Mitarbeitenden des Klinikums. Das ist ein Geschenk. Das ist mein tägliches Brot.
Welche Voraussetzungen braucht man als Seelsorger?
Wir arbeiten mit offenen Karten. Man muss sich im Team auch hinterfragen lassen. Man sollte Empathie, Einfühlungsvermögen haben und Mut, auf Menschen zuzugehen. Sich Menschen zuwenden zu können muss auch reflektiert sein. Unerlässlich sind auch Authentizität und die Kompetenz, die Balance zwischen Nähe und Distanz zu wahren. Dazu brauche ich immer Rückmeldung von meinem Team und auch individuelle Supervision. Entscheidend ist, dass ich als Seelsorger unterwegs bin und nicht Menschen missionieren will. Unsere Seelsorge hier im Klinikum Süd – wie überall in Deutschland – ist überkonfessionell.
Was ist die zentrale Aufgabe der Seelsorge?
Dem Menschen in der Situation gut tun. Wenn Menschen ein spirituelles Bedürfnis haben, versuchen wir, das Bedürfnis, einen Halt zu finden, aufzugreifen. Wie kann ich einem Menschen in seiner Not helfen, einen gewissen Halt für diese Situation zu finden? Seelsorge ist ein sehr anspruchsvolles Geschäft, das muss man wirklich sagen. Daher braucht es immer wieder professionelle Reflexion.
Wie gehen Sie mit den vielen Krisen derzeit um, Corona, Klimawandel, Ukrainekrieg? Wie schafft man es da als Seelsorger, dem anderen Menschen etwas Gutes zu tun?
Wenn ich zu einem Menschen gehe, muss ich als Seelsorger in der Lage sein, in der konkreten Situation für ihn oder sie da zu sein. Gut zuhören, innerlich frei sein zu hören, versuchen zu verstehen, was genau die Not des anderen ist, die Zeit schenken, die die Person braucht. Das hat etwas mit Professionalität zu tun. Jeder ist von uns Seelsorgern auch betroffen von Ängsten und Sorgen persönlicher Art – doch in dem Moment, in dem wir als Seelsorgende in Kontakt mit einem Menschen treten, sind wir da für diesen Menschen. Wir waren auch während der schwersten Zeit der Corona-Pandemie auf den Isolations-Stationen – wir waren da: für Patienten und Personal. Gerade in der Pandemie hat sich herauskristallisiert: Es ist wichtig, dass Seelsorge auch für das Personal da ist. Es kommt darauf an, aktiv auf Station zu gehen und das Gespräch zu suchen, nicht zu warten, dass jemand vom Personal anruft. Echtes Interesse zeigen: das wird angenommen, da ist Bedarf bei den Mitarbeitenden.
Ist die Krankenhausseelsorge überkonfessionell? – Und wie kommen Sie ins Gespräch?
Ja. Der Ursprung von Krankenhausseelsorge ist auf jeden Fall kirchlich – evangelisch oder katholisch. Die Seelsorgenden werden von den jeweiligen Kirchen geschickt, ich bin als katholischer Priester vom Bistum Eichstätt eingesetzt worden. Die Seelsorge in unserem Haus (im Klinikum Nürnberg Süd) hat sich von Anfang an zu einer ökumenischen Seelsorge entwickelt. Unser Angebot richtet sich an jeden im Haus. Ich sehe meine Aufgabe darin, mich auf die Suche zu machen. Das meint ja Jesus auch: „Ich bin gekommen, um zu suchen“. Kontakt zu suchen, anzubieten, herauszufinden, welcher Patient auf der Station könnte mich brauchen? Da bin ich auch dankbar für Hinweise von einer Pflegekraft oder einem Arzt, einer Ärztin. Der Dienst wird angenommen. Es ist ein Privileg der Seelsorge, dass wir an jeder Tür im Klinikum klopfen dürfen und fragen, ob jemand einen Besuch wünscht.
Sind die Gespräche in der Kinderklinik herausfordernder als in anderen Bereichen des Hauses?
Ja, das ist eine besondere Herausforderung. Daher haben wir auch den Verein „Klinikseelsorge Notaufnahme e.V.“ gegründet, um zusätzliche Kräfte zu haben. Notaufnahme, Kinderklinik, Nachsorge im Eltern-Kind-Zentrum: Das sind für die Seelsorge oft besonders herausfordernde Bereiche. Für die Eltern, die Kinder da zu sein, das ist ganz, ganz wichtig.
Wie gehen Sie in ein Gespräch mit einer betroffenen Familie, etwa bei einem Schicksalsschlag?
Da erinnere ich mich an ein Beispiel. Da wurde ich nachts angerufen, es war die Kinder-Intensiv-Station. Da muss ich mich fokussieren auf meine Aufgabe. Das ist schon herausfordernd, auch wenn es einfach klingt: Ich gehe hin und bin da. Ich male mir nicht alles aus, was sein könnte: Ich gehe jetzt einfach hin. Dann geht es darum zu klären: Wo werde ich gerade gebraucht? Ich stelle mich vor mit meinem Angebot, für die Angehörigen da zu sein. Dabei versuche ich, eine gewisse Ruhe auszustrahlen und handlungsfähig zu sein. In der Notaufnahme gibt es zum Beispiel einen Raum, in den man sich zurückziehen kann, um mit Angehörigen zu reden, zu warten. Häufig übernehme ich auch in akuten Situationen – beispielsweise wird gerade ein Jugendlicher operiert – eine Art Botendienst und frage immer wieder bei den behandelnden Ärztinnen und Ärzten nach, ob es schon etwas Neues gibt. Das ist ein echter Dienst. Das ist oft sehr wichtig für die Eltern. Mit einem jungen Mann, dessen Frau leider verstorben ist, bin ich immer wieder in die Kapelle gegangen.
Welches Angebot kann man betroffenen Eltern machen?
Ein echtes, authentisches Angebot machen, mit echtem Interesse. Erst einmal einfach nur da sein; vieles ist dabei auch Bauchgefühl. Für Eltern, deren Kinder zu früh zur Welt kommen, können wir spirituelle Angebote machen – da besteht oft die Sorge, wird das Kind überleben? Diesen Eltern kann man spirituelle Angebote machen – von der Taufe bis zum Namensgebungs-Ritual. Es gibt auch andere Segnungsrituale. Ein Ritual kann in so einer chaotischen Situation einen gewissen Halt geben. Manchmal möchten Eltern gar keine Seelsorge. Das akzeptiere ich. Die Frage, die mich stark umtreibt, ist: Wie finden Menschen Halt, wo es eigentlich keinen Halt gibt?
Was können Familien tun, die über ein akutes Ereignis schon hinweg sind?
Wir bieten ja einmal pro Jahr den „Candlelight-Gottesdienst“ an für Eltern, die ein Kind verloren haben. In diesem Jahr findet er am Sonntag, 11. Dezember 2022, um 18 Uhr (3. Advent) in der Johanneskirche Eibach (Eibacher Hauptstraße 59, 90451 Nürnberg) statt (siehe extra Beitrag).
Das Ritual des „Candlelight“-Tages könnte jeder auch zu Hause machen: An diesem Tag (immer am zweiten Sonntag im Dezember) stellen trauernde Eltern Kerzen ins Fenster ihres Hauses oder ihrer Wohnung – weltweit. Gemeinschaft erleben kann helfen. Wir geben Eltern gerne einen Bronze-Engel mit, der bewusst schwer ist. In unserer Kapelle im Klinikum Süd gibt es keine Kerzen mehr zum Anzünden, sondern bunte Gebetsbänder, die man an einen Gebetsbaum binden kann. Viele Menschen tragen sich auch in unser Gästebuch in der Kapelle ein. Das Er-Innern an einen Menschen ist wichtig. Wir arbeiten gerne mit Zeichen und Ritualen. Konkret bieten wir auch an, dass sich die Seelsorgerin in der Nachsorge, Frau Anja Öhring, bei einer Familie telefonisch meldet. Sie bietet einen Besuch an, wenn die Eltern das wünschen. Das sehen wir in dem Verein auch als Aufgabe. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit der örtlichen Kirchengemeinde in Kontakt zu treten. Dort könnte man auch Halt finden und aufgefangen werden.
Kontakt zur Ökumenischen Krankenhausseelsorge am Klinikum Nürnberg, Süd telefonisch unter 0911 / 398-5011. Jederzeit, 24 Stunden am Tag, kann man einen ersten Kontakt zur Telefonseelsorge suchen unter 0800 / 11 10 111 oder 0800 / 11 10 222.